Der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn ist zu einem Besuch in die Region Kurdistan gereist. Dabei traf er nicht nur mit kirchlichen und politischen Vertretern zusammen, darunter dem chaldäisch-katholischen Patriarchen Mar Louis Raphael Sako, dem chaldäisch-katholischen Erzbischof Bashar Warda, dem syrisch-katholischen Erzbischof Youhanna Boutros Mouche, dem syrisch-orthodoxen Erzbischof Mar Nikodemus David Sharaf und dem Innenminister der Region Kurdistan Karim Sinjari, sondern verschaffte sich auch einen Eindruck von Flüchtlingslagern in der Region. Folgend eine Zusammenfassung des ausführlichen Berichts der Stiftung PRO ORIENTE.
Während seinem Besuch stellte Kardinal Schönborn fest: „Bei der Flüchtlingshilfe vor Ort sparen und gleichzeitig in Europa Zäune bauen ist unlogisch. Es würden vergleichsweise geringere Mittel genügen als jene, die wir jetzt für Flüchtlinge aufwenden müssen, wenn wir den Menschen an Ort und Stelle zur Hilfe kämen“. Wenn Menschen in ihrer Heimat selbst eine Zukunft erkennen könnten, würden sie sich nicht auf den gefährlichen Weg in Richtung Europa machen. Dies sei „eine europäische Aufgabe – aber auch eine österreichische“.
Der kurdische Innenminister erläuterte dem Kardinal die schwierige Situation der Binnenflüchtlinge, die in Kurdistan Zuflucht gesucht haben. Ohne zusätzliche internationale Hilfe sei es den Behörden nicht möglich, die Flüchtlinge ausreichend zu versorgen, sagte Sinjari. Insgesamt leben in Kurdistan derzeit rund 1,6 Millionen Binnenvertriebene, unter ihnen Muslime, Christen, Jeziden und Angehörige anderer Minderheiten. Dazu kommen weitere 250.000 Flüchtlinge aus Syrien. Der Innenminister versicherte dem Kardinal, dass für die Regionalregierung Kurdistan (KRG) die Christen ein elementarer Bestandteil des Landes seien.
Bei Besuchen in verschiedenen Flüchtlingslagern sprach der Kardinal den Menschen Mut zu und versicherte ihnen seine Solidarität. Wichtig sei es, so Schönborn, die Hilfsprogramme für die Flüchtlinge in den Ländern um Syrien nicht herunterzufahren. Er sei mehrfach mit Berichten konfrontiert worden, dass die Hilfe etwa für Christen in der Region in den vergangenen Monaten spürbar zurückgegangen sei, so Schönborn: „Das ist fatal, denn dann entscheiden sich noch mehr Menschen, die Flucht als Alternative zu wählen“.
Flucht der Christen wäre großer Verlust
Von der Not der im Irak vor den IS-Terroristen geflüchteten Christen zeigte sich Kardinal Schönborn tief betroffen. Allein im Sommer 2014 waren rund 120.000 Christen vor den IS-Milizen in die sichere autonome Region Kurdistan im Irak geflohen. Dort lebt die Mehrzahl von ihnen nach wie vor als Flüchtlinge. Die Menschen harren in Lagern mit Containern oder anderen Notunterkünften aus. Die Menschen hätten binnen weniger Stunden vor dem IS fliehen müssen und alles verloren, sagte Kardinal Schönborn.
Zwar sei verständlich, dass viele Christen in den Westen wollen, ihre Flucht wäre aber ein großer Verlust für den Irak, sagte Kardinal Schönborn. Umso notwendiger sei es, dass der Westen die Christen im Irak unterstützt, betonte der Wiener Erzbischof. Diese Botschaft werde er vor allem auch der österreichischen Regierung von seiner Reise mitbringen.
Seit dem Jahr 2003 ist die Zahl der Christen im Irak von 1,4 Millionen auf 300.000 gesunken. Besonders die Eroberung der Ninive-Ebene und der Stadt Mosul durch die Terrormiliz IS hat zu Massenvertreibungen geführt. Erzbischof Warda sprach im Zusammenhang mit dem Vorgehen des IS von „Völkermord“. 120.000 Christen und Jesiden waren 2014 innerhalb weniger Stunden und Tage in die sicheren Kurdengebiete geflüchtet. Die Kirche bemühe sich nach Kräften, den geflohenen Menschen zu helfen, sagte Erzbischof Warda. In der autonomen Region Kurdistan sei das Leben für die Christen besser als in den anderen Teilen des Irak, unterstrich der chaldäisch-katholische Erzbischof. Das betreffe sowohl die Sicherheitslage, als auch die soziale Situation und die gesamtgesellschaftliche Einstellung gegenüber religiösen Minderheiten.
Hier finden Sie den ausführlichen Bericht der Stiftung PRO ORIENTE.